Eure Erfahrungsberichte

Zootierpflegende in Artenschutzprojekten

Berichte aus dem Endangered Primate Rescue Center (EPRC), Vietnam

Maria Bischoff, Zootierpflegerin Zoo Leipzig

 

Hallo liebe Tierfreunde,

mein Name ist Maria Bischoff, ich bin seit fast 18 Jahren als Tierpflegerin im Zoo Leipzig tätig und habe in der Zeit von Juli 2012 bis Januar 2013 im Endangered Primates Rescue Center (EPRC) in Cuc Phuong in Vietnam gearbeitet.

Bereits während meiner Ausbildung im Zoo Leipzig erfuhr ich vieles über das EPRC und fing an, mich für die Arbeit mit Primaten zu interessieren. Im Pongoland durfte ich die alte Gibbon-Dame Mimi pflegen, die täglich ihr Lied sang und zusammen mit den Orang-Utans die Außenanlage nutzte. Der Wunsch, eine Gibbon-Familie singen zu hören und frei kletternd beobachten zu können, wuchs in mir während dieser Zeit mit jedem Tag mehr. Als ich bei einem Besuch im Kölner Zoo die Kleideraffen kennenlernen durfte, war für mich klar, dass ich mich bei unserem Artenschutzbeauftragten darum bewerben würde, für einige Zeit in das EPRC zu reisen. 2012 erhielt ich die Zusage und durfte das Projekt 6 Monate lang als Tierpflegerin unterstützen.

2012 war ich 23 Jahre alt, hochmotiviert und natürlich voller Tatendrang. Meine bisherigen Auslandserfahrungen beschränkten sich auf zwei Urlaube in Thailand und Sri Lanka. Ich dachte, ich wüsste recht gut, was auf mich zukommt – rückblickend war das ein wenig naiv. Denn so, wie ich während meiner Zeit im EPRC die kleinen Bananenpflanzen mit einer Machete zerhackte, zerkleinerte die Realität meine Artenschutzromantik.

Zur täglichen Tierpflege gehörten das Kontrollieren der baulichen Gegebenheiten, die Futterzubereitung, die Handaufzucht von Languren und Gibbons, die Unterstützung der Tierpfleger:innen bei der Reinigung der Käfige, das Laubbündeln, das Basteln und Anbringen von Tierbeschäftigung, das Verbrennen von Komposthaufen, das Ablaufen der Areale, das Überprüfen der Elektrozäune, Touristenführungen und Spendensammeln. Es gab also viel zu tun. So viel, dass ich meinen Alltag in einem Blog dokumentiert habe. Wenn ihr euch dafür interessiert, was mich vor 12 Jahren so beschäftigt hat, schaut gern mal rein:

Maria's Blog

Die Menschen, die ich kennenlernen durfte, waren sehr freundlich und ich habe mich im Dorf wohl und sicher gefühlt. Trotzdem möchte ich euch darauf hinweisen, dass es (wie so oft) einen Unterschied macht, ob man als ausgewachsener Mann eine Rolle in einem Projekt übernimmt – oder als junge Frau. Das Buch KulturSchock von Reise Know-How hat mir persönlich sehr geholfen, die Feinheiten im sozialen Miteinander zu verstehen und nicht jedes Fettnäpfchen mitzunehmen.

Leider bin ich nicht gerade ein Sprachtalent, was die Kommunikation mit den Tierpfleger:innen manchmal etwas erschwert hat. Pech für mich, denn heute ließen sich solche Probleme binnen Sekunden mit einer App lösen. Aber ich will mich nicht beschweren, immerhin gab es eine solide Stromversorgung. einen günstigen Mobilfunkanbieter, um SMS zu verschicken und fast täglich Internet, um zu skypen (Zeitverschiebung ca. 6 Stunden, da mussten Mutti und Vati schon mal länger wachbleiben). Ab und zu kamen Praktikant:innen und Studierende für kurze Zeit ins Team, ich hatte also auch Möglichkeiten, mich mit Menschen meines Alters auszutauschen und nette Abende zu verbringen.

Die Auswilderung von 2,1 Delacour-Languren war für mich das absolute Highlight meiner Zeit in Vietnam und bleibt auf ewig unvergessen. Unvergessen bleibt aber leider auch die Hilflosigkeit, die ich empfunden habe, wenn ein Langur oder Gibbon im Sterben lag oder mehr tot als lebendig im Center aufgenommen wurde, aber keine Tierärzt:innen erreichbar waren. Dass tagtäglich Tiere gewildert, gequält und getötet werden, obwohl doch so viel Aufklärungsarbeit geleistet wird, obwohl Verstöße immer härter bestraft werden und obwohl der Wohlstand in den Dörfern allmählich steigt, war eine harte Erkenntnis für mich. Leider ist die Tierquälerei durch Aberglauben, Traditionen und Geldgier tief in der Gesellschaft verwurzelt. Unter diesen Umständen nicht zu resignieren, war nicht immer leicht. Die Menschen im EPRC kämpfen jeden Tag um das Engagement der Bevölkerung, damit die Natur und alle, die auf sie angewiesen sind, überleben können.

Um es zusammenzufassen: Meine Zeit im EPRC war unglaublich schön, aufregend, anstrengend und bereichernd.

Seit 2012 hat sich dort übrigens eine Menge getan: Das Areal ist vergrößert worden, die Käfige wurden modernisiert und die Arbeitsbedingungen verbessert. Auch eine permanente veterinärmedizinische Betreuung ist mittlerweile sichergestellt und das EPRC steht finanziell auf stabilen Füßen. Im Oktober 2019 besuchte ich das Projekt mit lieben Freunden erneut und war beeindruckt, was alles geschafft und geplant wurde. Alle Ressourcen werden sinnvoll verwendet und dienen dem unglaublich wichtigen Ziel, diese hoch bedrohten Affenarten zu schützen und zu erhalten, damit sie irgendwann ausgewildert werden können. Es freut mich zu wissen, dass das Projekt in guten Händen liegt und eine blühende Zukunft vor sich hat.

Die Geschichte und Zukunft des EPRC gibt mir Hoffnung und ist meiner Meinung nach ein großer Anreiz, vor Ort zu helfen und Teil eines großartigen Ganzen zu sein.

Meine kleinen Gibbon-Handaufzuchten Sophie und Hope trage ich bis heute und für immer in meinem Herzen. Sophie verstarb leider kurz nach meiner Abreise, aber ihre Gefährtin Hope turnt jetzt ganz geschützt auf einer Fläche von über einem Hektar in den Bäumen herum und singt ihr Lied über Freiheit, Familie und leckere Mangos.

Maria mit einem Serau im EPRC. Das Serauweibchen wurde im Dezember 2013 gestohlen, indem ein Loch in den Zaun geschnitten wurde. Bis heute weiß niemand, was mit ihr passiert ist.

 

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